Der treue Bote von Oftwennemar. Clue erzkplung aus alten Tagen Der Burg Mark POO Georg IDimitim Pow. p 601.'110,1 Wu. m• Neap • • • P.P. P.m.. V. Fortsetzung Sie eilte zur Burg zurück, ent- ledigte sich ihres geborgten Flitterstaates, verabschiedete sich von Ursula und suchte so- bald als möglich ihr Elternhaus zu erreichen. Sigurd begleitete sie noch eine Strecke und ging nachdenklich nach Hause. Als Anna ins Wohnzimmer trat, lag ihr Vater auf einem Ruhebett. Er hatte sein Gesicht der Wand zugekehrt und beant- wortete ihren Gruß nicht. Sie redete ihn nochmals an, aber er verharrte in einem beängstigen- den Schweigen. Auch zur Zeit des Abendessens erhob er sich nicht und ging erst spät schwer- fälligen Schrittes nach seinem Lager, auf das er sich bekleidet hinstreckte. Anna suchte ihn noch einige Male zum Essen zu bewegen, aber er schüttelte den grauen Kopf und sagte: „Laß mich in Ruhe, es ist ja doch alles aus!" Anna ver- brachte eine entsetzliche Nacht und schickte den Gottjohann, sobald der Morgen tagte, zum Kaplan mit der Bitte, sofort zum Vater zu kommen. Paulus hatte bereits von sei- ner Schwester von dem gestri- gen Ritte gehört, und es stiegen dunkle Ahnungen in ihm auf, als er sich der letzten mit dem Lichtberger geführten Unter- haltung erinnerte. Anna war ihm fast bis zur Geithebrücke entgegengeeilt und erzählte ihm mit fliegendem Atem von ihrem Ritte, von der Absicht, den Vater zu überraschen und von dem ihr zuteil gewordenen schrecklichen Empfange. „Mein Vater", so schloß sie, „weigert sich jetzt, das Gering- ste zu genießen. Er stöhnt so entsetzlich, als wenn ihm eine 22 das Bergeslast Herz abdrückte." „Führe mich zu ihm," sagte der Kaplan, „und sorge dafür, daß ich ungestört mit ihm sprechen kann, ich hoffe, er wird mir den Grund seines Verhaltens offenbaren." — Einige Minuten später saß Paulus am Bette des Alten. Er faßte seine Hand, die dieser ihm zu entziehen suchte, aber Pau- lus hielt sie fest und fragte mit herzlicher Stimme: „Lieber Lichtberger, was fehlt euch? Ihr benehmt euch ja, als wenn die Welt für euch nicht mehr vor- handen wäre." „Für mich ist sie bereits gestern untergegan- gen," stöhnte der Angeredete. „Was ist denn vorgefallen," forschte der Kaplan weiter und setzte hinzu: „Ihr seid doch sonst nicht so leicht außer Fas- sung zu bringen. Ist der liebe Gotte gestorben oder hat er euch verlassen?" „Ach," ant- wortete Lichtberg, „ich glaube gestern von Sinnen gewesen zu sein. Ihr wißt ja, daß ich mich in der letzten Zeit soviel mit Annas künftigem Schicksal beschäf- tigt habe. Die Sorge um das Kind hat mir Tag und Nacht keine Ruhe gelassen. Das Schreckliche war mir immer der Gedanke: Anna möchte an einem der Kriegsmänner des Grafen Gefallen finden und mit diesem in die weite, öde Fremde ziehen wollen. Und indem ich wieder darüber nach- sann und grübelnd im Tor stand, nahte sich ein Reiter- paar. Der Reiter grüßte freund- lich. — Ich erkannte in ihm unseren Sigurd, und als ich meine Augen zu der Dame erhob, war es Anna, die da vor mir hielt. Ich fühlte mich plötz- lich wie betäubt. Ich glaubte eine Erscheinung zu sehen, die mir die Zukunft offenbaren wollte, und ich schaute, wie Anna mit Sigurd zum Altar ging, und wie er sie aber wieder nach einiger Zeit verließ, seiner Hei- mat kaum gedenkend. Da erfaßte mich ein_ wilder Schmerz. Ich fühlte all' meine Sorge für Anna mit Füßen getreten, meine Liebe mißach- tet. Und da habe ich in wilder Wut sie und mein Geschlecht verflucht, wenn sie dem Willen ihres Vaters nicht folgen und sich an einen Mann hängen sollte, der sie ins Unglück brin- gen wird. Und ich habe den Fluch fest gemacht, daß ihn nur mein Tod oder Gott im Himmel zu lösen vermag. Ich selbst kann nichts mehr daran ändern." Erschöpft schwieg der Alte. Seine Worte waren stoß- weise hervorgedrungen, und er rang jetzt nach Atem. Der Kaplan aber bedeckte das Gesicht mit den Händen. Ihn schauerte vor einer solchen Starrköpfigkeit und vor der Größe des Hasses, der den Menschen veranlaßt, sich selbst zu zerfleischen. „Da habt ihr aber sehr übel getan, Lichtberger," sagte er nach einer Weile, „mich dauert das Kind. Ist es denn ein Ver- brechen von ihm, den Sigurd zu lieben, der unter euren Augen aufgewachsen ist und sich nie etwas hat zu schulden kommen lassen. Wenn Anna jetzt an Herz- weh stirbt, wäre es dann nicht besser gewesen, ihr hättet eine Heirat mit Sigurd zugegeben? Gott mag ihn ja für sie bestimmt und die Absicht gehabt haben, sie nur mit ihm glücklich zu machen. Und diese Absicht wollt ihr in menschlicher Kurz- sichtigkeit vereiteln! Lehnt euch doch nicht so gegen Gott auf!" „Darüber kann man verschie- dener Meinung sein," erwiderte der Bauer, „Eltern haben die Pflicht, irrige Anschauungen und Neigungen der Kinder zu bekämpfen und, wie ich euch schon mal gesagt habe, sie auf das Unglück, dem sie entge- gensteuern, beizeiten aufmerk- sam zu machen, ehe es zu spät ist. Dieser Pflicht mußte ich genügen. Der einzige Vorwurf, den ich mir mache, ist, daß ich mich dabei durch einen Fluch gebunden habe. Aber das ist nun mal geschehen. Ich wurde plötzlich zu erregt, und jetzt müssen wir uns mit den gege- benen Verhältnissen abfinden." Paulus war mit den letzten Ausführungen des Lichtber- gers im allgemeinen nicht ein- verstanden. Daß man Kinder auf augenscheinliche Irrungen aufmerksam machen und suchen muß, sie von falschen Wegen abzubringen, verstand sich bei ihm von selbst, aber daß ein in augenblicklicher Auf- regung ausgestoßener Fluch nicht zu lösen sei, vermochte er nicht zuzugeben. Der Bauer verblieb jedoch bei seiner Auf- fassung. Er beauftragte sogar den Kaplan, der Anna als Seel- sorger hiervon Kenntnis zu geben. Dieser ging bedrückt von dannen, ohne den Auftrag sofort auszuführen. Als er das Zimmer des Bauern verlassen hatte, trat ihm Anna entgegen. Er reichte ihr die Hand und sagte: „Liebes Kind, du gehst einer schweren Zeit entgegen. Dein Vater ist körperlich und seelisch krank, und bedarf der Schonung. Behandle ihn freundlich, und vergiß nie, daß du sein Kind bist! Du weißt ja, was im vierten Gebote geschrieben steht. Der liebe Gott hat die Gebote uns nicht gegeben, damit wir sie nur aus- wendig lernen, sondern damit wir sie befolgen sollen. In den nächsten Tagen besuche ich euch. Der Graf beabsichtigt Mark morgen wieder auf län- gere Zeit zu verlassen. Sigurd, der ihn begleitet, sagte mir, daß er noch heute abend Abschied von euch nehmen wolle." Anna machte eine abwehrende Bewegung. „0," ruef sie, „ich ahne, wie es um mich steht, ja ich weiß es sicher. Saget Sigurd," und bei diesen Worten rannen Tränen über ihr zuckendes Gesicht, „ich bäte ihn, nicht mehr zu kommen. Ich wünsche ihm aber Gottes Segen zu seiner Reise, und ermöge zuweilen seiner unglücklichen Anna gedenken." Auch des Kaplans Augen waren feucht geworden, als er den Hof verließ. Er sah gleich Anna trübe in die kommende Zeit. „Wenn ich dem Kinde etwas von meinem Glauben abtreten könnte, sie würde nicht so verzagt sein," sagte er zu sich selbst. „Es fällt kein Haar von unserem Haupte ohne Gottes Willen, und bei den Ver- hältnissen, die auf dem Licht- berge hereingebrochen sind, verfolgt er seine wohlwollend- sten Absichten. Es hat den Anschein, als wolle alles zusammenstürzen, und doch weiß ich schon jetzt, daß Gott alles so hinausführt, wie es sei- nen Lieben für ihr zeitliches und ewiges Heil am dienlich- sten ist. Aber," setzte er hinzu, „es wird noch eine Weile dau- ern, ehe wir das ,Herr Gott, dich loben wir' wieder zusammen anstimmen." Annas Auftrag an Sigurd richtete er aus, und als Sigurd dennoch zum Lichtberg eilen wollte, um unbemerkt von Anna Abschied zu nehmen, bat er ihn, es im Interesse Annas zu unterlassen. Er wisse ja, wie sie zu ihm stehe, und er solle das leid nicht vergrößern. Nach der Abreise des Grafen zeigten die Zustände auf der Burg bald wieder ihr altes Ge- sicht. (Fortsetzung folgt)